AD(H)S und Allergie - gibt es einen Zusammenhang?

 

Das AD(H)S mit seinen Komorbiditäten kann bis in das Erwachsenenalter sistieren und sowohl dort, als auch schon im Kindesalter den Weg bahnen für verschiedene psychische und psychosomatische Erkrankungen.

Bisher viel zu wenig bekannt ist das häufige gemeinsame Auftreten von AD(H)S und allergischen Erkrankungen. Von den kinderärztlichen Praxen, die sich auf Diagnostik und Therapie des AD(H)S spezialisiert haben, wird über diese Komorbidität immer häufiger berichtet.

 

Im Durchschnitt leiden AD(H)S-Kinder mindestens doppelt so häufig an einer allergischen Erkrankung, wie Kinder ohne AD(H)S. In meiner Praxis hatten 68% aller ADS-Kinder (mit und ohne Hyperaktivität) eine Allergie mit eindeutig klinischer Symptomatik, entweder in der Anamnese oder sie litten jetzt noch darunter. Bei einigen konnte ich die durch eine erfolgreiche AD(H)S-Behandlung bedingte Besserung der Allergie über Jahre verfolgen. Das bedeutet aber auch, dass Kinder und Jugendliche, die an einer Neuro-dermitis, einem Heuschnupfen, einer Haut- oder Nahrungsmittelallergie oder einem Bronchialasthma leiden, überdurchschnittlich häufig ein AD(H)S haben müssten. Da sowohl das AD(H)S, als auch die Allergie sich in ihrer Schwere gegenseitig beeinflussen, könnte eine frühe Diagnostik und Behandlung des AD(H)S den Krankheitsverlauf der Allergie günstig beeinflussen oder deren späteren Ausbruch sogar verhindern. Natürlich nicht von heute auf morgen, sondern erst über eine psychische Stabilisierung mit Verbesserung von Selbstwertgefühl und sozialer Kompetenz der Betroffenen. Eine Tatsche, die sich in der Praxis immer wieder bestätigt.

Dabei fungiert negativer emotionaler Dauerstress als Bindeglied zwischen AD(H)S und den allergisch bedingten Erkrankungen.

Das AD(H)S, als eine Hauptursache für negativen emotionalen Dauerstress, kann somit eine Allergie verstärken oder bei vorhandener genetischer Veranlagung durch Schwächung des Immunsystems auslösen.

 

Dauerhafte negative emotionale Belastungen schwächen das Immunsystem, eine psychische Stabilisierung durch einen erfolgreiche AD(H)S-Behandlung kann dagegen die Immunabwehr stärken und damit auch allergisch bedingte Krankheiten verbessern.

 

Das AD(H)S-Kind mit ausgeprägter Symptomatik lebt von Anfang an im Stress. Aufgrund seiner angeborenen Regulationsstörung bei der Informationsverarbeitung infolge Reizüberflutung und Botenstoffmangel mit Beeinträchtigungen in der Konzentration und Daueraufmerksamkeit, mit Hyperaktivität und Impulsivität, als deren Kernsymptome, besteht auch noch eine Überempfindlichkeit gegenüber Stress.

 

In der Vergangenheit widmeten sich schon mehrere wissenschaftliche Arbeitsgruppen dem Zusammenhang zwischen hyperkinetischem Syndrom und Störungen der Immun- und Infektabwehr. Intensiv wurde in den 80iger Jahren an der Medizinischen Akademie Magdeburg über diesesThema geforscht.

 

Auf Grund der Zunahme sowohl an Häufigkeit, als auch an Schwere beider Erkrankungen ist die wissenschaftliche Forschung, insbesondere die Neuroimmunologie gefordert, zu beweisen, was in der Praxis schon lange bekannt ist: Allergiker, die gleichzeitig ein AD(H)S haben - und das sind nicht wenige - profitieren in doppelter Hinsicht von einer erfolgreichen AD(H)S-Behandlung.

         September 2020